‘Zocker’ für Kinder und das ‘Sitzgerät Colani’ sind prägnante Beispiele für sich wandelnde Wohn- und Lebensformen am Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre. Mit der allgemeinen Akzeptanz gegenüber den neuen Kunststoffen halten auch neue Formen Einzug in die Wohnungen, oft in den zeittypischen ‘Pop’- und Schockfarben.
Luigi Colani, der scherzhaft als der ‘Leonardo des Plastiks’ apostrophiert wurde, nutzte schon sehr früh die leichte, beliebige Formbarkeit des Materials zur Realisierung neuartiger Entwürfe.
Typologisch handelt es sich bei dem Kinderstuhl ‘Zocker’, den er entgegen jeglicher Konvention nicht aus der Verkleinerung eines Erwachsenenmöbels entwickelte, um eine integrale Kombination aus Sitz und Pult. Sie läßt mehrere Sitzpositionen ­ auch rittlings ­ zu und gewährt dadurch den Bewegungsabläufen des Kindes während des Spiels freien Raum.
Durch abgerundete Kanten und den ansatzlosen Übergang der Funktionsteile Sitz, Rückenlehne und Pult mindert die Formgebung die Verletzungsgefahr, bei sicherer Standfestigkeit und Stapelfähigkeit. Der Kunststoff macht das Möbel zudem pflegeleicht, schlag- und kratzfest, schließlich durch das geringe Gewicht mobil, ja sogar schwimmfähig.
Die vielfältigen Vorzüge dieses Kindermöbels animierten Colani zur Gestaltung des ‘Sitzgerätes Colani’ für Erwachsene, das er weniger blockhaft, sondern schlanker und differenzierter ausarbeitete. Die skulpturalen Qualitäten lassen es “als Objekt der bildenden Kunst”[17] erscheinen. Beiden Modellen gemeinsam ist die Multifunktionalität, in die Colani orthopädische Gesichtspunkte einbezieht: “Der in gelöster Stellung leicht nach vorn geneigte Mensch stützt über die Ellenbogen die Schulterbrücke derart ab, daß die Wirbelsäule entlastet wird. Die in dieser Stellung am menschlichen Körper freibleibenden Hohlräume habe ich ausgegossen und stilistisch zu einem Sitzgerät überarbeitet”.[18] Colanis Arbeiten zeichnen sich durch hohe Funktionalität in organischer, dynamischer, biomorpher Formensprache aus, die ergonomische Aspekte begünstigt. Jüngste Designentwicklungen scheinen sich der Formensprache Colanis anzunähern. PD